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Der Ölkäfer, Synonym: Maiwurm


Letzte Aktualisierung: 20.11.2018

Der für einheimische Verhältnisse riesenhafte schwarzblaue oder auch violette Ölkäfer (auch Maiwurm genannt) ist Träger des Gifts Cantharidin und hat eine faszinierende Ökologie. Das Gift seines Verwandten – die Spanische Fliege – wurde für manchen Mord verwendet.

Der Violette Ölkäfer
Der Violette Ölkäfer

Der Ölkäfer, Synonym: Maiwurm

Die ersten Tage im April sind bereits ins Land gegangen, da kann einem bei einem Spaziergang am Waldrand oder auf einer Wiese ein großer schwarzer oder auch blauer Käfer im wahrsten Sinne des Wortes über den Weg laufen. Wobei laufen eigentlich eine eher großzügige Umschreibung des plump und ungeschickt wirkenden Krabbelns ist. Der Käfer hat einen beeindruckenden, dick aufgeblähten Hinterleib, den über Stock und Stein zu wuchten, ihn sichtlich Mühe kostet.

Wem sie im April noch nicht aufgefallen sind, der wundert sich spätestens im Mai, welcher Käfer mit derart gewaltigen Ausmaßen da angekrabbelt kommt: Es handelt sich um den Maiwurm, auch Öl- oder Blasenkäfer genannt.

Nach oben Schwarzblauer Ölkäfer oder Violetter Ölkäfer

Der Maiwurm kann uns in einer blau-violetten oder blau-schwarzen Form begegnen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um zwei Farbvarianten der gleichen Art, sondern um zwei unterschiedliche Arten. Bei der schwarzen Form handelt es sich um den Schwarzblauen Ölkäfer oder auch Schwarzer Maiwurm (Meloë proscarabaeus), bei der bläulich-violetten Form handelt es sich um den Violetten Ölkäfer oder auch Violetter - bzw. Blauer Maiwurm (Meloë violaceus) genannt.

Der Name des Maiwurms weist auf gleich zwei auffällige Merkmale hin. Zum einen sieht man den Käfer hauptsächlich im Mai, die Exemplare im April sind noch nicht so prall und fallen noch nicht ganz so auf, wenn sie mehr oder weniger träge über einen Waldweg kriechen.

Zum anderen legt der stark geringelte Körper schon eine sehr wurmartige Assoziation nahe.

Wäre das alles, was es über den Maiwurm zu berichten gäbe, dann wäre er nur eine frühjährliche Kuriosität, die einem auf einem Spaziergang begegnen kann. Aber der Maiwurm ist viel spannender als man auf den ersten Blick erahnen mag.

Der Violette Ölkäfer (Meloë violaceus)

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Nach oben Ökologie des Ölkäfers

Begegnet einem dieses ungelenk wirkende Tier, sollte man daher kurz innehalten und sich die faszinierende Ökologie des Käfers vergegenwärtigen.

Die Weibchen des Maiwurms tragen eine schier unglaubliche Menge Eier mit sich herum, was die Ausmaße des Hinterleibs erklärt. Der Schwarze Maiwurm soll „5–6 Mal im Abstandstand von 1–2 Wochen jeweils 3000–9500“ (1) Eier ablegen, der Violette Maiwurm ( Meloe violaceus ) bringt es auf ähnliche Zahlen (2). In „Laboruntersuchungen“ konnte für „ein Weibchen von M. proscarabaeus während der gesamten Reproduktionsphase die hohe Anzahl von 40.000 abgelegten Eiern“ nachgewiesen werden (3)

Nur warum? Warum diese enorme Menge?

Aus der Lehre der Ökologie kennen wir den Begriff der Fitness. Fitness beschreibt die Fähigkeit eines Organismus, die größte Anzahl an überlebensfähigen Nachwuchs zu produzieren. Nach dieser Definition könnte man meinen, die Maiwürmer müssten extrem erfolgreich sein. Eigentlich sollte es von ihnen nur so wimmeln. Tut es aber nicht. Man neigt dazu den Lehrsatz nur unter dem Gesichtspunkt der Reproduktion zu lesen, aber die Überlebensfähigkeit spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Und die ist beim Maiwurm extrem mickrig. Schauen wir uns an, welch enormes Glück so ein Maiwurm haben musste, damit er vor uns herumkrabbeln kann.

Gegen Ende Mai werden die Weibchen die Eier absetzen. Aus den selbst gegrabenen Erdhöhlen werden die Larven dann im Frühjahr des darauffolgenden Jahres krabbeln. Die Larven werden auch Triungulinen (Dreiklauer) genannt. Sie suchen sich bald darauf Blütenpflanzen, auf die sie klettern. Hier warten sie auf einen landenden Blütenbesucher. Kommt es zu einer Massenvermehrung, dann kann es sein, dass die Larven klumpenweise an den Pflanzen anhängen. Geschieht dies an Grashalmen anstelle von Blütenpflanzen, dann wirken die Gräser, als würden sie blühen (4).

Landet nun ein Insekt an dieser Stelle, klammert sich die Triungulinus-Larve an ihm fest, denn der Maiwurm ist ein Parasit. Die Triungulinus-Larve entwickelt sich im Wesentlichen in den Nestern von solitären Bienen, deren Brut sie verzehrt. Ihr Manko: Die Larve kann nicht erkennen, an wen sie sich gerade festklammert. Sie klammert sich an den Erstbesten, der dort landet, wo sie wartet, egal um wen es sich dabei handelt. Hat sich die Triungulinus-Larve das falsche Taxi ausgesucht, geht es zugrunde.

Nun könnte man meinen, damit sei die größte Hürde genommen, wenn denn die richtige Biene erwischt wurde. Vielleicht ist es das auch, aber es folgen noch ein paar weitere Hürden. War es eine männliche Biene, an dem sich die Triungulinus-Larve angedockt hat, dann war es das gewesen. Hat sie ein Weibchen erwischt, dann muss die Larve „eine Brutzelle vorfinden, die sowohl den kompletten Nahrungsvorrat an Pollen bzw. Nektar hat als auch gerade mit einem Ei belegt worden ist“ (5).

Im Nest der Biene angekommen muss die Triungulinus-Larve den Absprung „auf das Bienen EI“ richtig schaffen, „fällt sie daneben, ist es um sie geschehen“ (6). Ist noch kein Ei vorhanden, wird sie „im Nahrungsbrei“ aus Honig „ertrinken“ (7). Oh je, Maiwurm will man da nicht sein.

Hat zum Schluss alles gepasst, wird der Dreiklauer das Ei verzehren, sich dann zur Sekundärlarve wandeln, den Honig fressen, sich noch ein paar Mal häuten und nachdem der Honigbrei aufgebraucht ist, das Nest verlassen. Im Frühjahr wandelt sie sich zum Imago. Sehen wir also einen Maiwurm, dann haben wir einen wahren Glückspilz vor uns. Hunderte seiner Geschwister sind zuvor zugrunde gegangen.

Nach obenDas Gift des Maiwurms und der anderen Ölkäfer

Allein diese Geschichte ist schon spannend genug. Es gibt noch einen weiteren faszinierend Aspekt über die Maiwürmer und der Familie der Melodie, zu der sie gehören, zu berichten.

Wie wir gesehen haben, hat der Maiwurm noch einen anderen Namen, nämlich Blasen- bzw. Ölkäfer. Fängt man einen Maiwurm, beispielsweise in einem Reagenzglas, kann es sein, dass sehr schnell innerhalb des Glases ein gelblicher Schmier vorhanden ist. Schnell befürchtet man, das Tier beim Fangen verletzt zu haben. Doch dem ist beileibe nicht so. Der Maiwurm ist in der Lage bei Beunruhigung ölige Flüssigkeitstropfen aus den Beingelenken abzusondern, die beim Menschen unter anderem die lästige Eigenschaft haben, Blasen hervorzurufen. Es können sich noch ein paar weitere unangenehme Wirkungen dazu gesellen wie am Auge „starke Schmerzen, Schwellungen, Tränenfluss“ oder bei Verschlucken „Magen-Darm-Beschwerden, außerdem Nierenschädigung bis Nierenversagen“ (8).

Wer also einen Maiwurm mit der Hand gefangen hat, sollte sich anschließend nicht die Finger ablutschen, sondern selbige ordentlich waschen.

Nach obenVergiftung mit Cantharidin

Bei den orange-bräunlichen Tropfen handelt es sich um sogenannte Hämolymphtröpfchen in denen sich die giftige Substanz Cantharidin befindet. „Bereits 0,03 Gramm davon oral aufgenommen wirken auf den Menschen tödlich“ (9).

Der heimische Maiwurm hat einen berühmt berüchtigten Verwandten, der diesbezüglich etwas effektiver unterwegs ist und das einheimische Exemplar in den Schatten stellt: die Spanische Fliege. Wie der Maiwurm kein Wurm, so ist die Spanische Fliege keine Fliege, sondern ebenfalls ein Ölkäfer. Dieser metallisch grün schimmernde Käfer verirrt sich höchst selten in unsere Breiten, dafür kann er aber in Spanien oder allgemeiner gesagt im Mittelmeergebiet angetroffen werden (10).

Wie Paracelsus schon wusste: Die Dosis macht das Gift. Und so ist es auch beim Cantharidin.

Das Altertum verwendete Cantharidin auch zu medizinischen Zwecken. Die Spanischen Fliegen wurden zuvor „zerrieben bzw. zerstoßen und mit verschiedenen Zutaten vermischt“ (11). Die so gewonnen Mittel wurden danach sowohl innerlich wie äußerlich verwendet. Die Verwendung war aber nicht auf die Zeit des Altertums beschränkt. Wenn auch im Mittelalter zunächst in Vergessenheit geraten, so erlebte es kurz darauf eine Renaissance und avancierte im Laufe der Zeit zu einer Art Universalheilmittel (12). In der Naturheilkunde wird es noch heute beispielsweise als Blasen ziehendes Pflaster verwendet (13). Aktuelle Forschungen versuchen die Substanz sogar in der Krebstherapie einzusetzen (14).

Bei falscher Dosierung kann es seine giftige Wirkung desgleichen ungewollt entfalten. Schon die alten Römer stellten daher das gleiche wie Paracelsus fest und verboten den Handel mit den Käfern. Doch auch völlig unwissentlich kann man sich eine Cantharidin Vergiftung zuziehen. Französische Soldaten scheinen da besonders anfällig zu sein, so zumindest lassen ein paar historische Geschichten vermuten. Die Soldaten setzten sich ungewollt selbst außer Gefecht durch das Essen von Fröschen. Dummerweise hatten diese offenbar gerade eine größere Menge Ölkäfer verspeist und das Gift im eigenen Körper kumuliert. Napoleons Soldaten in Ägypten passierte es genauso wie etlichen Jahrzehnten später in Algerien stationierten Landsmännern. Übelkeit, Unterleibsschmerzen und ein weiteres Bündel unangenehmer Begleiterscheinungen setzten den Männern zu (15).

Das berüchtigte Gift Aqua Tofana, dessen genaue Zusammensetzung man heute nicht mehr kennt, soll Cantharidin beinhaltet haben (16). Im 17. Jahrhundert war das giftige Gebräu öfters im Einsatz (17) (18). Die aus Neapel stammende Teofania di Adamo betrieb einen schwunghaften Handel mit dem Gift und „gestand, an der Ermordung von etwa 600 Personen beteiligt gewesen zu sein“ (19). Allerdings nicht nur heimtückisch wurden Menschen vom Leben zum Tode befördert. Im antiken Griechenland bediente man sich des giftigen Ölkäfers auch ganz offiziell zum Vollstrecken von Todesurteilen (20). Der Verurteilte musste das Gift zu sich nehmen.

Zu guter Letzt bleibt noch zu erwähnen, das Cantharidin nicht nur den Tod bringen kann: Noch heute wird es als Aphrodisiakum verwendet und kann käuflich erworben werden.

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