Unterscheidung Männchen und Weibchen
Das Geschlecht einer Spinne lässt sich auch für einen Laien schnell erkennen. Ein Männchen erkennt man an seinen äußeren Geschlechtsmerkmalen. Acht Beine hat eine Spinne oder besser gesagt vier Beinpaare. Am Kopf befinden sich darüber hinaus noch ein weiteres allerdings deutlich kürzeres Paar Fortsätze, die man für etwas halten könnte, dass man bei Insekten Fühler nennt. Männliche wie weibliche Spinnen haben diese Extremität - die sogenannten Kiefertaster (Palpen). Anhand der Ausprägung der Taster kann das Geschlecht der Spinne bestimmt werden. Wie zwei Boxhandschuhe sehen die Fortsätze an den Kiefertastern aus, die sich am Kopf der männlichen Spinne befinden. Die dicken Fortsätze sind ein unverkennbares Merkmal, ein Spinnenmännchen vor sich zu haben. Den Weibchen fehlen diese Boxhandschuhe, ihre Kiefertaster sind schlank. Sie wirken eher wie ein fünftes, zu kurz geratenes Paar Beine.
Das Spermanetz
In den Boxhandschuhen befindet sich der sogenannte Bulbus, und innerhalb des Bulbus wiederum befindet sich der Samenschlauch in demdas Männchen seinen Samen speichert. Speichert? Man könnte über diese Formulierung stolpern, doch es ist tatsächlich so. Der Samen wird nicht an dieser Stelle produziert, sondern eben nur gespeichert. Die inneren und äußeren Geschlechtsmerkmale der Spinnen liegen räumlich weit auseinander und sind ohne eine organische Verbindung. Damit der Samen überhaupt in den Samenschlauch kommen kann, bedient sich eine männliche Spinne eines besonderen Tricks.
Die eigentliche Geschlechtsöffnung der männlichen Spinnen befindet sich auf der Unterseite des Hinterleibs. Nun müsste sich eine Spinne schon mächtig verrenken, um mit den Palpen an diese Stelle zu kommen und den dort austretenden Samen aufzunehmen. Die Natur hat sich dafür eine simple Lösung ausgedacht. Das Spinnenmännchen spinnt zunächst ein Netz, das sogenannte Spermanetz. Auf diesem Netz gibt die Spinne ihren Spermatropfen ab. Der Tropfen wird dann mit den Palpen aufgesaugt und anschließend verwendungsbereit im Samenschlauch gelagert. Dieses Verhalten ist sehr schön im Video Paarung der Baldachinspinne zu sehen (2:55 min)
So vorbereitet macht sich das Männchen auf die Suche nach einem fortpflanzungsbereiten Weibchen der eigenen Art.
Video: Paarung der Baldachinspinne (Linyphia triangularis)
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Bei den meisten Arten beginnt das Männchen zu balzen, sobald es ein Weibchen gefunden hat. Das Balzverhalten ist dabei von Spinnenart zu Spinnenart unterschiedlich und ausgesprochen vielfältig. Es gibt die komplizierten Arten, die den Beobachter auf eine harte Geduldsprobe stellen können, will er denn vom Anfang bis zum Ende dabei sein, und natürlich auch die weniger komplizierten Arten. Man könnte sagen, die Spinnenmännchen teilen sich in eine Gruppe der Eroberer und in eine andere Gruppe - den Belagerern.
Krabbenspinnen beispielsweise verzichten gerne auf das langwierige Vorspiel und kommen gleich zur Sache - sie gehören zu den Eroberern. Manche Männchen krabbeln dabei auf den weiblichen Körper und fesseln ihn zunächst mit ein paar Fäden am Untergrund fest. Danach erst kommt es zur Kopulation. Das Weibchen hat allerdings anschließend wenig Mühe sich von diesen Fesseln zu befreien, denn so galant ihr wieder aus den Fesseln zu helfen, sind die Männchen natürlich nicht. Die Fesselung hat eher symbolischen Charakter.
Vergleichsweise leicht zu beobachten ist im Spätsommer die Balz der Herbstspinnen (Metellina segmentata) oder der Gartenkreuzspinne - allerdings sollte man auch ein wenig Geduld mitbringen, will man sie bis zum Ende beobachten. Beide gehören eher zu Belagerern - und wie man weiß, braucht jede Belagerung Zeit.
Die Radnetze beider Arten sind im Spätsommer häufig zu finden. Schon bald nachdem man mehrere Netze inspiziert hat, wird man fündig werden und männliche Spinnen in der Nähe von weiblichen Spinnennetzen entdecken. Am besten sucht man sich ein Netz, wo das Männchen bereits die Balz eingeleitet hat, alles andere wird anstrengend. Und selbst dann kann es dauern...
Paarung der Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus)
Die männliche Gartenkreuzspinne spinnt einen Balzfaden und befestigt ihn an dem Netz des Weibchens. Nun beginnt es zu zupfen und versucht auf diese Art, das Weibchen auf sich aufmerksam zu machen und in Paarungsbereitschaft zu bringen. Das Weibchen nimmt die Erschütterungen wahr und erkennt an der Art der Vibrationen, dass es sich nicht um im Netz hilflos zappelnde Beute sondern um ein Männchen der eigenen Art handelt. Ist sie in Paarungsstimmung, nähert sie sich langsam dem werbenden Männchen.
Auch die männliche Herbstspinne muss zunächst das Weibchen herbeilocken. Das Männchen nähert sich dem Netz und wartet zuerst einmal ab. Gerät nun ein Beutetier ins Netz, stürmt das Männchen hervor, spinnt dieses ein und bietet es dem Weibchen als Brautgeschenk an.
Video: Paarung der Herbstspinne (Metellina segmentata)
Link führt zu YouTube.comPaarung der Raubspinne (Pisaura mirabilis)
Ausgefeilter noch ist das Verhalten der Raubspinne. Zwar sind Raubspinnen leicht im Frühsommer/Anfang des Sommers zu beobachten, da sie sich gerne sonnend in Brombeergebüschen an Wegrändern oder Brennnesselrainen aufhalten, Werbung und Paarung zu beobachten bedarf aber schon ein wenig Glück. Das Männchen fängt selbstständig eine Beute und spinnt sie anschließend zu einer handlichen Kugel zusammen. Nun trägt es das Geschenk zwischen seinen Cheliceren mit sich herum und macht sich auf die Suche. Trifft es auf ein Weibchen, so wird das Präsent dargeboten, um das Weibchen willig zu stimmen. Nimmt sie das Geschenk an, dann ist der Rest nur noch Formsache.
Weibchen frisst Männchen
Wozu das alles, könnte man sich fragen. Im Wesentlichen aus zwei Gründen: Zum einen muss das Männchen sicherstellen, das es nicht als Beute betrachtet wird. Nicht jedes Spinnenmännchen geht ein erhöhtes Risiko ein, doch bei manchen Arten zahlen die Männchen einen hohen Blutzoll für die Arterhaltung. So kommt es beispielsweise bei der Wespenspinne vergleichsweise häufig dazu, das sich das Weibchen das Männchen zum Schluss als Snack genehmigt. Gleiches gilt für die Labyrinthspinne (Agelena labyrinthica) , bei der das Männchen nach erfolgter Paarung schleunigst davon rennt, vom Weibchen verfolgt wird und wenn es eingeholt wird, als Beute endet (1). Die Schwarze Witwe allerdings wird ihrem Namen nicht gerecht, ist sie doch eine vergleichsweise harmlose Gattin und lässt die meisten Männchen ungehindert wieder ziehen.
Zum anderen muss das Weibchen in Stimmung versetzt werden, und in Stimmung gerät es nur, wenn das balzende Männchen von der eigenen Art ist. Springspinnenmännchen, die richtige Tänze vor einem Weibchen aufführen, vollführen ihre Kunststücke auch schon mal gerne vor der falschen Zielgruppe. Reagiert das Weibchen nicht, dann kann es den Tanz nicht entschlüsseln, es kennt die Signale nicht und das Männchen wird, wenn es keine positive Rückmeldung durch arttypische Zeichen erhält, irgendwann aufhören.
Hochzeit und Paarung
Kommt es zur Paarung, so gibt es unterschiedlichste Paarungsstellungen. Die bereits erwähnte Herbstspinne paart sich an einem speziellen Begattungsfaden, bei manchen Krabbenspinnenarten krabbelt die männliche Krabbenspinne unter das gefesselte Weibchen, Wolfsspinnenmännchen legen sich quasi auf das Weibchen und inserieren die Palpen von der Seite, Vogelspinnen Männchen stemmen das Weibchen in die Höhe um an die weibliche Geschlechtsöffnung zu gelangen. Bei manchen Spinnenarten ist die eigentliche Paarung ein kurzes Vergnügen, bei anderen kann sie sich hinziehen und dem Männchen geht irgendwann der Vorrat aus. Wohl dem, der sich zu helfen weiß. In einer Pause wird flugs der Samenvorrat auf die oben beschriebene Art wieder gefüllt und anschließend kann es mit dem gleichen Weibchen wieder weitergehen. Bellmann (1) beschreibt dieses Verhalten bei der Sektorenspinne (Zygiella x-notata) und der Baldachinspinne Linyphia triangularis (Siehe: Video Paarung der Baldachinspinne ab 2:55 min).